Inkontinenz und ihre Auswirkungen auf den Alltag

Wer keine Kontrolle über seine Ausscheidungen hat, ist in seiner Lebensqualität beeinträchtigt und häufig einem hohen Leidensdruck ausgesetzt. Viele von Inkontinenz Betroffenen richten ihren Alltag an der Inkontinenz aus. Aus Angst, man könnte etwas merken oder gar riechen, werden schon mal liebgewonnene Aktivität eingeschränkt. Sportliche Betätigung, vor allem das Schwimmen, werden zu großen Herausforderungen, an die sich einige nicht mehr heranwagen. Aber auch Freizeitaktivitäten wie ein Kino- und Konzertbesuch oder das nachmittägliche Kaffeekränzchen mit Freundinnen können mit Angst verbunden sein. Das Wissen, wo sich die nächste Toilette befindet, damit man sich strategisch, möglichst in die Nähe positionieren kann, um sie im Fall der Fälle rechtzeitig und ungehindert zu erreichen, ist von entscheidender Bedeutung. Allzu oft ziehen sich die Betroffenen lieber zurück und bleiben in ihrer vertrauten Umgebung. Wenn die Besuche dann mit der Zeit nachlassen, kann Inkontinenz die soziale Isolation und Vereinsamung im Alter fördern.

Ursachen für Harninkontinenz im Alter

Der unwillkürliche Harnverlust hängt von der körperlichen und geistigen Verfassung eines Menschen ab. Mit höherem Alter lässt häufig die Beckenbodenmuskulatur nach. Bei Frauen wird eine Beckenbodenschwäche vor allem durch frühere Schwangerschaften und Geburten begünstigt. Auch ein Östrogenmangel im Zusammenhang mit den Wechseljahren schwächt die Beckenbodenmuskulatur, das Bindegewebe und den Schließmuskel und kann folglich eine Blasenschwäche auslösen. Bei Männern ist häufig eine vergrößerte Prostata oder eine Prostata-Operation für eine Harninkontinenz verantwortlich. Harninkontinenz kann aber auch Folge von Übergewicht sein und im Zusammenhang mit unterschiedlichen Erkrankungen wie Diabetes, Parkinson, Alzheimer oder Demenz stehen.

Risikofaktoren für Blasenschwäche bei Senioren

Im höheren Alter treffen in der Regel mehrere Risikofaktoren zusammen, wie etwa:

  • Einnahme zahlreicher Medikamente
  • Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit
  • Verringerung der Beweglichkeit

Diese und weitere, auch psychologische oder soziale Einflüsse, betreffen zwar nicht direkt die Harnorgane, sie können aber dennoch die Blasenfunktion verschlechtern und eine Inkontinenz auslösen bzw. verschlimmern, vor allem wenn sie sich gegenseitig negativ beeinflussen. Die behandelnden Ärzte sind dann gefordert, komplexe Zusammenhänge zu untersuchen, um Therapieempfehlungen geben zu können, die der Gesamtsituation älterer Menschen mit Harninkontinenz gerecht werden. Dem Erlernen und Üben bestimmter Verhaltensmuster, die den Symptomen der Harninkontinenz gegensteuern, kommt eine besondere Bedeutung zu. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf dem Toilettentraining, das Betroffene – unterstützt von Pflegepersonen – auch gut im häuslichen Umfeld durchführen können. Ein weiterer Fokus liegt auf geeigneten Hilfsmitteln, die den Alltag für Betroffene und Angehörige erleichtern und damit deren Lebensqualität spürbar verbessern. So können beispielsweise Urinflaschen oder Toilettenstühle sinnvoll bei Toilettentrainings eingesetzt werden.

Toilettentraining bei Harninkontinenz

Gerade bei älteren Menschen kann das Toilettentraining zu einer verbesserten Harnkontrolle und in manchen Fällen sogar zu einer vollständigen Wiedererlangung der Kontinenz verhelfen. Bei den speziell für ältere Inkontinenzbetroffene empfohlenen Verhaltensprogrammen rund um den Toilettengang ist meist die aktive Beteiligung oder Unterstützung von Lebenspartnern bzw. pflegenden Angehörigen oder professionellen Pflegekräften gefragt. Das Ziel des Toilettentrainings ist das Wiedererlangen der Kontinenz durch ein Training, das zu „normalen“ oder verbesserten Entleerungsmustern der Blase führt und die Vermeidung von unkontrolliertem Harnabgang durch rechtzeitiges Entleeren der Blase zu vorgegebenen Zeiten. Toilettentrainings bei älteren Menschen bieten sich an bei überaktiver Blase, Mischinkontinenz und Belastungsinkontinenz. Vorteilhaft ist, dass sie keine Nebenwirkungen verursachen. Als nicht geeignet erweisen sich diese Verhaltenstrainings allerdings bei Überlaufinkontinenz. Unter dem Begriff Toilettentraining werden verschiedene Einzelmaßnahmen zusammengefasst:

1. Festgelegte Entleerungszeiten

Hierbei werden Betroffene regelmäßig nach starrem Zeitplan (z.B. tagsüber alle zwei Stunden) von einer Pflegeperson zur Toilette begleitet. Voraussetzung: Diese Maßnahme eignet sich auch bei körperlich oder geistig eingeschränkten Personen und ist für motivierte Pflegepersonen einfach umzusetzen.

2. Individuelle Entleerungszeiten

Eine Pflegeperson begleitet die von Blasenschwäche betroffene Person zur Toilette nach einem individuell erstellten Zeitplan. Voraussetzung: Auch hier eignet sich die Maßnahme auch bei körperlich oder geistig eingeschränkten Menschen, hat jedoch den Vorteil, dass das Muster der Blasenentleerung erkannt werden kann.

3. Angebotener Toilettengang

Mit der Frage: „Nass oder trocken?“ lenkt die Pflegeperson in regelmäßigen Abständen die Aufmerksamkeit der Betroffenen auf die Blase. Anschließend wird ein Toilettengang angeboten und bis zu dreimal dazu ermuntert, falls dieser anfänglich abgelehnt. Zur Toilette wird nur begleitet, wenn dies gewünscht wird. Wichtig ist ein positiver Kommentar, falls der Toilettengang erfolgreich war und der Betroffene trocken ist. Auch empfiehlt es sich, ein Getränk anzubieten und den Zeitpunkt des nächsten Toilettengangs verbunden mit der Aufforderung, die nächste Blasenentleerung bis dahin zu verzögern, zu thematisieren. Voraussetzung: Der oder die Betroffene muss in der Lage sein, auf die Aufforderung zum Toilettengang zu reagieren, die Toilette oder auch einen Toilettenstuhl zu nutzen und auch fähig sein, einen Harndrang zu verspüren.

4. Blasentraining

Hierbei müssen die Betroffenen selbstständig zu bestimmten Zeiten zur Toilette gehen, zu Beginn je nach Voraussetzung stündlich oder alle zwei Stunden. Sobald die angegebenen Zeiten, zur Toilette zu gehen, eingehalten werden können, soll eine allmähliche Steigerung der Intervalle – im Idealfall bis zu vierstündigen Intervallen – erfolgen. Bei dieser aktiven Rehabilitations- und Schulungstechnik wird systematisch wiedererlernt, den Harndrang zu unterdrücken und die Blasenentleerung zu verzögern. Voraussetzung: Dieses Training verlangt von Betroffenen ein hohes Maß an Eigeninitiative und setzt voraus, dass diese lernfähig sind und die Toilette weitgehend selbstständig oder mit Hilfe aufsuchen sowie ein sogenanntes Miktionsprotokoll führen können.

Miktionsprotokoll: Hilfe bei der Bestimmung der richtigen Therapie bei Harninkontinenz

Zur Dokumentation des Trink- und Toilettenverhaltens dient das Miktionsprotokoll, auch Miktionstagebuch genannt. Darin werden stundengenau die Trinkmenge und die Blasenentleerung über den Tag und in der Nacht protokolliert. Auch Angaben dazu, ob ein Harndrang verspürt wurde, der Harnabgang kontrolliert oder ungewollt stattfand und welche Inkontinenzhilfsmittel zum Einsatz kamen, werden darin notiert. Das Miktionsprotokoll ist eine wichtige Grundlage für die Diagnose und Therapie der Inkontinenz. Damit das Miktionstagebuch für den behandelnden Arzt valide Informationen liefert, sollte es über einen Zeitraum von mindestens 14 Tagen geführt werden. Es wird empfohlen, eine Phase zu wählen, in der sich der Inkontinenzbetroffene in der gewohnten Umgebung aufhält und seinem üblichen Alltag nachgeht.

Inkontinenzhilfsmittel: Je individueller, desto besser

Hilfsmittel und Maßnahmen zur Umgebungsanpassung sowie der Einsatz spezieller Inkontinenzhilfsmittel erhöhen die Lebensqualität der Betroffenen und erleichtern den Alltag der Pflegepersonen maßgeblich. Und zwar besonders dann, wenn die genutzten Hilfsmittel in Absprache mit den Patienten regelmäßig an die jeweilige persönliche Situation angepasst werden.

Bei der Umgebungsanpassung kommen beispielsweise eine Toilettensitzerhöhung, Haltegriffe, Toilettenstuhl, Urinflasche, aber auch mittelbare Hilfestellungen wie Gehhilfen, Beleuchtung und angepasste Bekleidung, etwa Klettverschlüsse oder Anti-Rutsch-Socken, in Frage. Im Hinblick auf die körpernahen aufsaugenden Hilfsmittel steht eine große Auswahl an Produkten zur Verfügung, die individuell für die Situation und die Inkontinenzform und -stärke des Betroffenen ausgesucht werden sollen. Hierbei gelten als konkrete Auswahlkriterien:

  • Anpassung an den Inkontinenzschweregrad („so klein wie möglich, so groß wie nötig“) · Bevorzugung von anatomisch geformten Produkten
  • optimale Flüssigkeitsbindung
  • Geruchsabsorption
  • geringe Geräuschentwicklung
  • gute Handhabung bei der Anlage und Befestigung
  • Sicherheit vor Verrutschen

Darüber hinaus sollten auch individuelle Vorlieben, Kostenaspekte bei der Beschaffung und die Entsorgungsproblematik berücksichtigt werden.

Neben aufsaugenden Produkten stellen auch Kondomurinale eine alternative körpernahe Versorgungsmöglichkeit des inkontinenten Mannes dar, sofern dieser nicht an einer schweren Blasenentleerungsstörung leidet. Erforderlich sind hierbei geeignete anatomische Voraussetzungen, eine gesunde Penishaut und ein ausreichendes manuelles Geschick oder aber die Kondomurinal-Versorgung durch eine Pflegeperson. Als günstig wird bei diesem Hilfsmittel eine individuelle Beratung, Schulung und Anpassung durch eine Fachkraft betrachtet.

Weniger ist mehr: Hautpflege bei Inkontinenz

Nicht nur wetterbedingte Einflüsse können die Haut von Senioren stark belasten. In einer feucht-warmen Umgebung, beispielsweise im Intimbereich bei Inkontinenz oder dort, wo Hautfalten aufeinander liegen, wird reife Haut ebenfalls gefordert. Keime können sich dort schnell ausbreiten und auch der ständige Kontakt mit Ausscheidungen reizt die Haut und greift ihren Schutzmantel an. So kommt es bei Betroffenen häufig zu Hautirritationen, Entzündungen und wunden Stellen.

Daher kommt der Hautpflege bei Inkontinenz eine besondere Bedeutung zu. Zur Reinigung der Haut sollten ausschließlich milde Produkte und besser keine Seife verwendet werden. Spezielle Intimwaschprodukte sind auf den Säureschutzmantel der Haut abgestimmt und bewahren den natürlichen pH-Wert im Intimbereich. Nach dem Waschen sollte die Haut gründlich abgetrocknet werden, um Feuchtigkeit zu vermeiden. Dabei gilt: sanft tupfen statt reiben, damit die Haut nicht unnötig gereizt wird. Zur anschließenden Pflege der Haut gibt es spezielle Hautschutzcremes, die einen schützenden Film auf der Haut hinterlassen und so Reizungen durch Ausscheidungen vorbeugen. Wichtig dabei, die Pflegeprodukte sollten nicht zu dick aufgetragen werden, damit sie die Poren nicht verstopfen. Keinesfalls sollte auf Produkte wie Vaseline oder Melkfett zurückgegriffen werden. Diese enthalten zwar viel Fett, decken aber die Haut zu stark ab und können die Saugfähigkeit von Inkontinenzprodukten beeinträchtigen. Entscheidend für eine unversehrte Haut beim Einsatz von Inkontinenzeinlagen sind die geeignete Passform, die angemessene Wechselhäufigkeit und die richtige Anwendung.

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