Wie entsteht Dranginkontinenz?

Ein gesunder Mensch kann bewusst entscheiden, wann er die Toilette aufsucht, denn er kann den Harndrang für eine gewisse Zeit unterdrücken. Bei Menschen mit Dranginkontinenz ist es anders. Sie verspüren einen extrem starken Harndrang, der ganz plötzlich, oft ohne jegliche Vorankündigung, auftritt. Gelingt es ihnen nicht, sofort eine Toilette aufzusuchen, kommt es zu einem unfreiwilligen und unkontrollierten Harnverlust. Hinzu kommt, dass bei den betroffenen Menschen der Harndrang viel häufiger auftritt als bei gesunden Menschen. Als Faustregel gilt: Wer häufiger als achtmal innerhalb von 24 Stunden seine Blase entleeren muss und zusätzlich auch in der Nacht regelmäßig vom Harndrang aufgeweckt wird, der leidet wahrscheinlich an Dranginkontinenz. Der für die Dranginkontinenz typische plötzliche, starke Harndrang verbunden mit unfreiwilligen Harnverlust ist auf überempfindliche Blasenmuskulatur zurückzuführen. Der Blasenmuskel zieht sich bereits bei geringer Füllmenge der Blase zusammen und löst Harndrang aus. Der Urin tritt plötzlich und unwillkürlich aus.

Dranginkontinenz kann unterschiedliche Ursachen haben. Man unterscheidet grundsätzlich zwischen motorischer und sensorischer Dranginkontinenz.

Formen der Dranginkontinenz:

  • Motorische Dranginkontinenz:

Bei der motorischen Dranginkontinenz fehlt eine Hemmung der Nervenimpulse zwischen der Blase und dem Gehirn mit der Folge, dass sich die Blasenmuskulatur unkontrolliert und krampfartig zusammenzieht, und es kommt zum Harnverlust. Diese Form der Dranginkontinenz tritt meistens im Zusammenhang mit neurologischen Erkrankungen wie Multiple Sklerose, Parkinson oder Alzheimer auf.

  • Sensorische Dranginkontinenz:

Bei der sensorischen Dranginkontinenz geben die Nerven in der Blase an das Gehirn eine falsche Information über den Füllstand der Blase weiter. Sie melden, dass die Blase voll ist und entleert werden muss, obwohl dies nicht der Fall ist. Für diese Form der Inkontinenz können unter anderem Blasenentzündungen, Blasensteine oder Tumore verantwortlich sein. Bei Frauen in den Wechseljahren kann auch ein Östrogenmangel und bei Männern eine vergrößerte Prostata ursächlich sein.

Reizblase oder Dranginkontinenz – Was ist der Unterschied?

Reizblase, Stressblase und überaktive Blase sind alles Synonyme für eine Erkrankung, unter der Schätzungen zufolge bis zu 20 Prozent der jüngeren Erwachsenen und sogar jeder zweite Ältere leiden. Frauen sind häufiger von einer überaktiven Blase betroffen als Männer. Reizblase äußert sich durch einen häufigen, starken Harndrang, ohne dass die Blase vollständig gefüllt ist. Dabei treten trotz starken Harndrangs nur kleine Urinmengen aus. Weitere Anzeichen einer Reiz- bzw. Stressblase können leichte Schmerzen und Brennen beim Wasserlassen und gelegentlich Unterleibsschmerzen sein. Da die Symptome den einer Blasenentzündung ähneln, sollte ein Facharzt für die Abklärung und Bestimmung der Therapie konsultiert werden. Ist der übertriebene Harndrang mit unwillkürlichen, unkontrollierbaren Urinverlust verbunden, so liegt Dranginkontinenz vor.

Neben organischen Ursachen wie Blasenentzündungen, Blasensteine, Tumore und Gebärmuttersenkung bei Frauen sowie Prostatavergrößerung bei Männern können bei einer Reizblase auch psychologische Aspekte eine wichtige Rolle spielen. Probleme am Arbeitsplatz, familiäre Belastungen, Sorgen und Ängste können eine überaktive Blase auslösen. Denn Stress begünstigt die Entstehung einer Reiz- bzw. Stressblase, wie der Name auch schon vermuten lässt.

Was kann man tun gegen eine Reizblase?

In vielen Fällen kann man die Symptome einer Reizblase durch eine positive Veränderung der Lebensgewohnheiten und durch Stressabbau verbessern. Yoga, Entspannungstechniken wie autogenes Training oder progressive Muskelentspannung sowie Achtsamkeit können beim Stressabbau helfen. Sehr wirksam für Stressabbau sind auch Bewegung an der frischen Luft und sportliche Betätigung wie Joggen, Walken, Schwimmen und Fahrradfahren. Als weniger wirksam gelten dagegen passive Entspannungsmethoden wie etwa abends auf der Couch vor dem Fernseher sitzen.

Darüber hinaus wirkt sich ein starker Beckenboden positiv auf die Reizblase aus. Daher wird auch Beckenbodentraining zur Behandlung und Linderung von Reizblase empfohlen. Die besten Ergebnisse erzielt man in Verbindung mit einem Blasentraining, bei dem erlernt wird, den Harndrang zu unterdrücken und die Blasenentleerung zu verzögern. Mehr zu beiden Methoden erfahren Sie in folgenden Abschnitten.

Dranginkontinenz – Die richtige Diagnose ist entscheidend

Bei Frauen über 50 Jahren tritt Dranginkontinenz häufig zusammen mit Stress- bzw. Belastungsinkontinenz auf. Zu den Belastungen der Blase durch Schwangerschaften und Geburten, die in den meisten Fällen für eine Belastungsinkontinenz bei Frauen verantwortlich sind, gesellen sich hormonelle Veränderungen in den Wechseljahren dazu und lösen diese Inkontinenz Mischform aus. Die Reizblase ist bereits bei jüngeren Frauen und Männern weit verbreitet. Einer guten Diagnostik kommen aufgrund der Vielfältigkeit der Formen und Ursachen eine ganz besondere Rolle zu. Haben Sie den Verdacht, dass Sie an Dranginkontinenz oder Reizblase leiden, sollten Sie auf jeden Fall einen Facharzt, vorzugsweise einen Urologen oder Nephrologen, aufsuchen. Mit Hilfe von urodynamischen Untersuchungen, Ultraschall, Röntgen oder Spiegelung kann der spezialisierte Arzt die Ursachen der Inkontinenz feststellen und eine individuelle Therapie zusammenstellen. Ein Miktionstagebuch, auch Miktionsprotokoll genannt, in dem stundengenau die Trinkmenge und die Blasenentleerung protokolliert werden, helfen dem Arzt bei der Diagnostik.

Behandlung und Therapie bei Dranginkontinenz

Mit den richtigen Maßnahmen ist die Dranginkontinenz gut behandelbar und die Beschwerden lassen sich spürbar lindern. Als erstes werden in der Regel die Lebens- und Ernährungsgewohnheiten angepasst. Zusätzlich kommen bei Dranginkontinenz folgende Behandlungsmaßnahmen in Frage.  

  • Beckenbodentraining:

Beim Beckenbodentraining stärken Sie mit speziellen Übungen nicht nur Ihren Beckenboden, sondern entwickeln auch ein Gespür für ihn und lernen mit der Zeit, den Harndrang zu beherrschen. Bei diesen Übungen wird die Beckenbodenmuskulatur angespannt, die Spannung für eine gewisse Zeit gehalten und wieder entspannt. Jede Übung wird mehrmals wiederholt und die Anzahl der Wiederholungen wird allmählich erhöht. Bereits nach drei Wochen konsequenten Trainings spüren Sie erste Erfolge. Das Thema Beckenbodentraining und die positive Auswirkung auf die Inkontinenz wird ausführlich in unserem Artikel „Beckenbodentraining – Dichthalten ist auch Übungssache“ behandelt.

  • Toilettentraining:

Mit Hilfe des Toilettentrainings lernen Sie, den Harndrang zu unterdrücken und die Blasenentleerung hinauszuzögern. Das Training besteht darin, dass Sie nur zu bestimmten Zeiten, anfangs jede Stunde, auf die Toilette gehen und versuchen in der Zeit zwischen den Toilettengängen den Harndrang zu unterdrücken. Sie verlängern allmählich die Zeitintervalle bis auf vier Stunden. Damit verbessern Sie das Entleerungsmuster der Blase und vermeiden einen unkontrollierten Harnabgang durch rechtzeitiges Entleeren der Blase. Mehr über das Thema Toilettentraining bei Inkontinenz erfahren Sie in unserem Artikel „Inkontinenz im Alter“.

  • Medikamente bei Dranginkontinenz

Zusätzlich zu den nicht-medikamentösen Maßnahmen, denen immer der Vorzug gegeben werden sollte, stehen für die Behandlung der Dranginkontinenz auch verschiedene Medikamente zur Verfügung. Urologische Spasmolytika aus der Gruppe der Anticholinergika werden eingesetzt, um die überaktive Blasenmuskulatur zu entspannen. Ist die Dranginkontinenz auf einen Östrogenmangel zurückzuführen, kommen östrogenhaltige Zäpfchen und Cremes zum Einsatz, die direkt in die Scheide eingeführt werden. In hartnäckigen Fällen kann Botox zum Einsatz kommen. Das Nervengift wird direkt in den Harnblasenmuskel gespritzt. Botox wirkt lähmend auf den Blasenmuskel und lindert den Harndrang. Die Botox-Injektion muss alle paar Monate wiederholt werden.

  • Inkontinenzhilfsmittel

Inkontinenzhilfsmittel lindern zwar nicht die Symptome einer Inkontinenz, sie geben aber ein gutes und sicheres Gefühl und schützen vorm Auslaufen des Urins. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen Inkontinenzprodukte. Die Wahl des Hilfsmittels richtet sich an der individuellen Situation des Betroffenen und der Art und Stärke der Inkontinenz aus. Eine ausführliche Beschreibung der verschiedenen Inkontinenzmaterialien, deren Aufbau und Anwendung lesen Sie in unserem Artikel „Inkontinenzhilfsmittel: Wie sie funktionieren und richtig angewendet werden“ nach.

Wichtig: Trotz Dranginkontinenz viel trinken

Viele denken, dass sie Dranginkontinenz in den Griff kriegen können, indem sie weniger trinken. Das ist ein Trugschluss. Denn das Gegenteil ist der Fall. Wenig Trinken verschlimmert die Symptome der Dranginkontinenz. Der Grund: Wenn man wenig trinkt, entsteht in der Blase konzentrierter Urin und dieser reizt den Blasenmuskel zusätzlich. Sie sollten also immer genügend trinken. Empfohlen werden 1,5 bis 2 Liter am Tag. Dabei sollten Sie am besten zu stillem Wasser, Tees und Saftschorles greifen und koffein- und kohlensäurehaltigen Getränke meiden, denn diese begünstigen einen häufigen Harndrang. Um den nächtlichen Harndrang zu lindern, empfiehlt es sich, keine Getränke vor dem Schlafengehen zu sich zu nehmen.

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